Impuls: Neue Engagementformen

Eine begriffliche Annäherung für die Jugendverbandsarbeit

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Neue Engagementformen“ und welche Möglichkeiten und Vorteile ergeben sich damit für eure Organisation? So selbstverständlich wir auch diesen Begriff verwenden, ganz einfach zu fassen ist er nicht. Unsere Workshops oder Austauschgespräche, die mit der Frage starteten: „Was versteht ihr eigentlich unter Neuen Engagementformen?“ führten jedes Mal zu einer Fülle von Antworten, Assoziationen und Ideen. Deutlich wird: In der Praxis existiert kein einheitliches Begriffsverständnis: gleiches gilt in der Fachliteratur, in der darüber hinaus viele weitere Begriffe um Neue Engagementformen herum kursieren.

Neue Engagementformen im Projekt „The Länd of Young Ehrenamt“

Wir verstehen Neue Engagementformen als Oberbegriff für kreative Formate, neue Formen der Ansprache oder innovative Ansätze im Engagement. Vieles wird auch in der Jugendverbandsarbeit bereits angewendet und ermöglicht so, Engagement immer wieder neu zukunftsfähig aufzustellen. Das ist wichtig, weil gesellschaftliche Entwicklungen wie Armut, Krisen, demografischer Wandel oder veränderte Lebenswelten junger Menschen sich auf deren Motive für und auf ihr Engagement an sich auswirken.

Beispiele sind kurzzeitiges, digitales oder projektbezogenes Engagement, das im untenstehenden Begriffe-ABC nachvollzogen werden kann. Besonderen Fokus legen wir auf zwei Perspektiven, wobei insbesondere die erste Anschlussmöglichkeiten in den Jugendverbandsstrukturen bietet:

  1. Neue Engagementformen als Ergänzung und Methode zur Öffnung von Ehrenamt in bestehenden (Vereins-/Verbands-)Strukturen.
  2. Neue Engagementformen in nicht gemeinnützigen Organisationen ohne Rechtsform, also losgelöst und außerhalb von (Vereins-/Verbands-)Strukturen.

Egal aus welcher Perspektive betrachtet, es gilt: Neue Engagementformen ermöglichen es, individuelle und sich verändernde Lebenssituationen junger Menschen zu berücksichtigen. Zugleich bieten sie bestehenden Vereinen und Verbänden die Möglichkeit, das eigene Angebot neu zu überdenken, weiterzuentwickeln und für die Zielgruppe und die Engagierten attraktiv zu gestalten. Neue Engagementformen in eurer Organisation mitzudenken ist essentiell, denn immer mehr Menschen engagieren sich projektförmig, zeitlich begrenzt oder außerhalb von Vereinen.

Warum sich die Auseinandersetzung mit Neuen Engagementformen für euch lohnt

  1. Ihr habt ein Interesse daran, eure Organisation weiterzuentwickeln und auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren.
  2. Ihr wollt, dass eure Organisation auch in 10 Jahren noch tolle und wichtige ehrenamtliche Arbeit leistet.
  3. Neue Engagementformen sind einfach nur ein neuer Begriff, der viele Dinge einschließt, die ihr sowieso schon in und für eure Organisation macht oder plant – ihr habt also nicht allzu viel Arbeit damit 😉.

Deswegen gibt es nachfolgend für euch ein paar Impulsfragen, die ihr zum Beispiel in einer der nächsten Leiter*innenrunden oder in einer eurer Vorstandssitzungen diskutieren könnt.

  • Gibt es bei euch ehrenamtliche Tätigkeiten für die man nicht vor Ort sein muss, für die eine kurze Einarbeitung genügt oder die an projekthafte Aktionstage bzw. Veranstaltungen gekoppelt sind?
  • Denkt an Momente aus eurem Organisations- und Ehrenamtsalltag, die ihr nach diesem Impuls unter das weite Begriffsverständnis Neue Engagementformen packt. Welche fallen euch ein? Zu welchen Anlässen und warum funktionieren sie besonders gut?
  • Welche Berührungspunkte habt ihr mit jungen Menschen, die sich außerhalb von Verbands- und Vereinsstrukturen engagieren? Gibt es den Wunsch nach Zusammenarbeit und wenn ja, wie könnte dies gelingen? Beispiel dafür sind: gemeinsame Aktionen, das Teilen von Räumen und Ressourcen wie Fortbildungsangebote oder Materialausleihe etc.

Macht euch nun zu eurer ganz eigenen Erkundungstour auf. In neuen Engagementformen liegt großes Potenzial, nutz es und lasst andere von euren Erfahrungen wissen. 😊

Wenn ihr für die Auseinandersetzung mit dem Thema weitere Materialien oder Unterstützung wünscht, kommt einfach auf eure Regionalstelle zu.

Literatur & Links

Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. 2023. Einblicke. Online Engagiert. Gutes-geht.digital. Berlin.

Hofmann, Jeanette, Theresa Züger, Anja Adler, und Julia Tiemann-Kollipost. 2020. Dritter Engagementbericht. Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter. Zentrale Ergebnisse. Hrsg. von Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin.

Kelle, Nadiya, und Julia Simonson. 2022. Stadt, Land, Freiwilliges Engagement: Eine Analyse Der Beteiligung in Unterschiedlichen Engagementformen nach Regionalen Kontexten. Forschungsjournal Soziale Bewegungen. Band 35, Heft 3, Seite 452–466.

Schubert, Peter. 2023. Informelles Engagement: Die neue Normalität? Eine Analyse des organisationalen Rahmens von freiwilligem Engagement. Essen: ZiviZ im Stifterverband.

Schuttowski, Anna-Maria, Kai Diederich, Sofia Barth, und Carolin Harscher. 2021. Junges Engagement in Vereinen nachhaltig gestalten. Lernerfahrungen aus dem Projekt „Engagement 2030“. finep.

Schubert, Daniel, Marc Neu, und Sören Petermann. 2024. Rein digital, nur gelegentlich oder im Ausland? Neue Formen des freiwilligen Engagements junger Menschen in Stadt und Land. Ruhr-Universität Bochum.

Begriffe-ABC:

Neue Engagementformen: Im Projekt „The Länd of Young Ehrenamt“ als Oberbegriff für neue Formen des Ehrenamts und Engagements zu verstehen. Sie haben oftmals einen innovativen Charakter und können sich sowohl auf informelles Engagement in selbstorganisierten Initiativen und Gruppen als auch auf „typisches“ Ehrenamt in Vereins- und Verbandsstrukturen beziehen (Verständnis „The Länd of Young Ehrenamt“ 2024). Einige wissenschaftliche Texte hingegen beziehen Neue Engagementformen oder neue Formen des Engagements oder neue Engagementfelder auf informelles Engagement.

Informelles Engagement: Beschreibt Engagement in informellen Zusammenschlüssen, daher ohne Rechtsform (kein eingetragener Verein). Zum Beispiel in Protestbewegungen, Nachbarschaftsnetzwerken, Selbsthilfegruppen oder selbst organisierten Gruppen (Schubert 2023, S. 3).

Digitales Engagement: Meint Engagement, das vollständig oder teilweise im digitalen Raum (Internet) durchgeführt wird und / oder bei dem digitale Geräte zum Einsatz kommen. Beispiele sind digitale Abteilungs- oder Vorstandstreffen im Verein oder die Pflege des Social Media Accounts der Jugendgruppe (Hofmann et al. 2020, S. 12f. und Schubert et al. 2024, S. 12).

Kurzzeit-Engagement: Damit ist Engagement gemeint, das flexibel und zeitlich begrenzt stattfindet und so die Vereinbarkeit von Ausbildung / Familie / Beruf gut berücksichtigen kann. Diese Form des Engagements ist unverbindlich, aber verlässlich und oft nicht an eine Mitgliedschaft geknüpft. Beispiele sind eine Kuchenspende für eine Veranstaltung, das Organisieren eines Abschiedsgeschenks für eine*n Trainer*in oder das Übernehmen einer Stand-Schicht beim Stadtteil / -dorffest (Verständnis „The Länd of Young Ehrenamt“ 2024 angelehnt an Verständnis der Freiwilligenagentur Heidelberg).

Projektbezogenes Engagement: Umgangssprachlicher Begriff der eher in der Praxis als in wissenschaftlichen Texten verwendet wird. Er bezieht sich auf Engagement, das im Rahmen eines zeitlich begrenzten Projekts oder Zeitraums durchgeführt wird. Dieses Projekt kann jährlich wiederkehrend sein wie beispielsweise der Ehrenamts-Dankeschön-Brunch eines Sportvereins jeden Januar (Verständnis „The Länd of Young Ehrenamt“ 2024). Oftmals findet projektförmiges Engagement wie „in der Flüchtlingshilfe 2015“ auch losgelöst von Vereins- und Verbandsstrukturen statt, was in der Fachliteratur dann wiederum als informelles Engagement gehandelt wird (Schubert et al. 2024, S. 11).

Episodisches Engagement: Fasst Engagement, das zum Beispiel bei einer kirchlichen Großveranstaltung oder einem sportlichen Wettkampf wie der Fußball-Europameisterschaft punktuell oder eventbezogen mit vielen Freiwilligen stattfindet (Schubert et al. 2024, S. 13).

Voluntourismus: Beschreibt, so wie auch die Zusammensetzung des Wortes durch „Volunteering“ und „Tourism“, eine Kombination aus Freiwilligenarbeit und Tourismus. Dabei wird eine Auslandsreise mit der Durchführung freiwilliger Tätigkeiten verbunden (Schubert et al. 2024, S. 13).