DBJR: Jugendparlamente als ein Format der kommunalen Jugendbeteiligung

Position des Deutschen Bundesjugendrings, beschlossen am 08.02. im DBJR-Hauptausschuss

-Auszug. Die vollständige Position findet sich unter: https://www.dbjr.de/artikel/jugendparlamente-als-ein-format-der-kommunalen-jugendbeteiligung-

[…] In Deutschland sind in den letzten Jahren vielfältige Organisationen, Formate und Angebote hinzugekommen, die Kinder- und Jugendbeteiligung umsetzen. Neben den Jugendverbänden und Jugendringen sind unter anderem viele, oftmals befristete Beteiligungsangebote mit Bezug auf konkrete Projekte und Vorhaben entstanden. Darüber hinaus haben sich Jugendparlamente als vorwiegend kommunales Beteiligungsformat weiter etabliert. Die neue Regierungskoalition hat dies erkannt und plant im Koalitionspapier, „selbstbestimmte Kinder- und Jugendparlamente und Beteiligungsnetzwerke [zu] stärken.“

Jugendparlamente sind in unterschiedlichem Grad repräsentative Beteiligungsformate. Teilweise tragen sie auch andere Bezeichnungen wie beispielsweise Jugendgemeinderäte oder Jugendbeiräte. In der Regel werden junge Menschen als Interessenvertreter*innen in Jugendparlamente für eine gewisse Amtsperiode durch Gleichaltrige gewählt, durch kommunale Gremien benannt oder als Delegierte von Interessenvertretungen entsandt. Sie werden im Idealfall bei allen Fragen – insbesondere junge Menschen betreffend – aber auch zu Themen darüber hinaus in die kommunalen Entscheidungsprozesse eingebunden. Dies geschieht beispielsweise durch Antrags- oder Rederecht im „Erwachsenenparlament“ und/oder über eine (oft nur beratende) Stimme in einzelnen Ausschüssen. Einige Jugendparlamente verantworten zudem einen eigenen Etat. Ihre Arbeit wird teilweise durch pädagogische Fachkräfte begleitet.

Jugendparlamente sind oft an vorhandene Strukturen angebunden. Das sind in der Regel kommunale Ämter wie beispielsweise die Jugendförderung im Jugendamt, zivilgesellschaftliche Träger bzw. Strukturen und dabei häufig die kommunalen Jugendringe. Dadurch soll auf Basis des vorhandenen Wissens und der vorhandenen Erfahrung, Unterstützung, Beratung und Zusammenarbeit mit anderen Strukturen ermöglicht werden. Jugendparlamente sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Dabei entscheiden vor allem die Aspekte Aufbau und Zusammensetzung, Rahmenbedingungen, Auswahlverfahren, Lebensweltbezug sowie die Einbindung in kommunale Entscheidungsprozesse wesentlich, ob Jugendbeteiligung durch Jugendparlamente gelingt.

Eine wirkungsvolle Kinder- und Jugendbeteiligung setzt bereits bei der Entstehung des Beteiligungsformats an. Das bedeutet, dass die Initiative zur Gründung eines Jugendparlaments dem Gedanken von Selbstorganisation folgend von jungen Menschen ausgehen sollte. Auf alle Fälle sind junge Menschen aber maßgeblich an Konzeption und Aufbau zu beteiligen. Dadurch haben Jugendparlamente die Chance, sich in Struktur und Regularien daran zu orientieren, wie junge Menschen sich ihr Jugendparlament vor Ort wünschen.

Für ein wirksames Jugendparlament ist der einfache und zielgruppengerechte Zugang wichtig. Alle jungen Menschen, die repräsentiert werden sollen, müssen sich einbringen und mitbestimmen können. Dazu gehört zu allererst die Auswahl der Repräsentant*innen, die bei Jugendparlamenten in der Regel gewählt oder entsandt werden. Die Wahl muss eine freie, geheime und gleiche Wahl sein, bei der alle jungen Menschen die Chance haben, zu wählen und gewählt zu werden.

Die Themen, Anliegen und Zielsetzungen des Jugendparlamentes sollen von allen repräsentierten jungen Menschen mitbestimmt und eingebracht werden können. Mit Blick auf die Transparenz muss sichergestellt werden, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, sich regelmäßig über die Arbeit, die Ergebnisse sowie die beratenen Inhalte der Jugendparlamente zu informieren.

[…]

Fazit und Forderungen

Die Jugendverbände und Jugendringe sind Orte der gelebten Beteiligung junger Menschen. Als solcher begrüßt der Bundesjugendring Formate und Angebote, die wirksame Jugendbeteiligung ebenso unterstützen und ermöglichen. Als Interessenvertretung aller jungen Menschen und auf Basis ihrer Expertise für die Beteiligung junger Menschen setzen sich die im Bundesjugendring zusammengeschlossen Jugendverbände und Landesjugendringe für die Selbstorganisation junger Menschen ein.

Eine heterogene Landschaft der durch junge Menschen initiierten und getragenen Jugendbeteiligungsformate, -angebote, -strukturen und -organisationen sollte das Ergebnis entsprechender Selbstorganisationsprozesse sein. Es ist nicht Aufgabe von Politik und Verwaltung, zu entscheiden, was gute Jugendbeteiligung ist und welche Strukturen entstehen oder erhalten werden sollen.

Junge Menschen alleine entscheiden, wo sie sich engagieren, wo sie ihre Interessen einbringen und welche weiteren Formate sie gründen oder einfordern. Es ist ausschließlich die Entscheidung der jeweils engagierten jungen Menschen wann, wie und mit welchen Ziel die vorhandenen kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten wie Jugendparlamente, Jugendringe und Jugendverbände sowie weitere Beteiligungsformate kooperieren und im Interesse der jungen Menschen miteinander arbeiten.

Es ist jedoch Aufgabe und Pflicht von Politik und Verwaltung, das von jungen Menschen gewollte Miteinander zu unterstützen und zu fördern. Die Interessenvertretung junger Menschen durch Jugendringe und Jugendverbände ist selbstorganisiert, etabliert und existiert, weil junge Menschen dies wollen und sich entsprechend engagieren. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.

Daher sind Jugendverbände und -ringe durch Politik und Verwaltung zwingend in die Entscheidungsfindungen bei allen Themen, die Kinder und Jugendliche betreffen, einzubeziehen. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist dies u. a. in § 71 Abs. 1 SGB VIII geregelt.

Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an eine gute Förderung der Kinder- und Jugendbeteiligung vor Ort:

  • Die Gestaltung der Beteiligungsstrukturen muss durch die Jugendlichen selbst bestimmt werden.

  • Für alle wirksamen Beteiligungsformate gilt, dass neben der Beteiligung an politischen Entscheidungen in allen Dingen, die die Interessen junger Menschen betreffen, eine angemessene Förderung eine der wichtigsten Voraussetzungen ist.

  • Die Einhaltung der Qualitätsstandards für gute Kinder- und Jugendbeteiligung muss Grundlage und Voraussetzung für eine Förderung sein.

  • Eine einseitige Fixierung beispielsweise in Form von Förderentscheidungen oder dem Auflegen massiver Förderprogramme für einzelne Beteiligungsformate oder Strukturen darf es nicht geben. Dies gilt insbesondere, falls dadurch die Gefahr besteht, künstlich den Aufbau von parallel agierenden Strukturen gegen oder auf Kosten bestehender und wirksamer Strukturen sowie Formate zu initiierten.

  • Die Verhältnismäßigkeit der Förderung der einzelnen Beteiligungsformate, –angebote und -strukturen muss im Verhältnis zueinander stets gewährleistet sein.

Im Interesse der engagierten jungen Menschen sind darüber hinaus die Erwartungen des Bundesjugendring an Politik und Verwaltung in Bezug auf Jugendparlamente und ähnliche Beteiligungsformate die folgenden:

  • Jugendparlamente müssen von jungen Menschen gewollt, getragen und im Idealfall initiiert werden.

  • Jugendparlamente sind durch Verwaltung und Politik als Interessenvertretung der jungen Menschen, die sie tatsächlich repräsentieren, zu akzeptieren, anzuerkennen und zu unterstützen. Denn eine gute Kinder- und Jugendbeteiligung kann nur dann gelingen, wenn diese von allen beteiligten Akteuren gewollt ist.

  • Jugendparlamente sind mit einem ausreichenden, selbst zu verwaltenden Budget auszustatten.

  • Jugendparlamente sind an entsprechenden Entscheidungen von Politik und Verwaltung wirksam zu beteiligen.

  • Der Beteiligungsprozess muss transparent gestaltet sein, so dass zu Themen, Zielstellungen, Rahmenbedingungen sowie Kommunikations- und Entscheidungsspielräumen in Jugendparlamenten Klarheit besteht. Ebenso müssen Zugangswege zu Entscheidungsträger*innen und Verwaltung verbindlich vereinbart werden.

  • Die Rahmenbedingungen müssen es Jugendparlamenten ermöglichen, ihre Arbeitsweise so zu gestalten, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, teilzuhaben. Sitzungszeiten, Materialien und weitere Zugänge zu Jugendparlamenten sind entsprechend lebensweltnah und inklusiv zu gestalten.

  • Gute Qualifizierungsmöglichkeiten und strukturelle Unterstützung für junge Menschen in Jugendparlamenten müssen geschaffen werden. Hierzu sollen Interessenvertretungen von jungen Menschen einbezogen werden.

Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, können Jugendparlamente auf kommunaler Ebene ein Baustein sein, um Jugendbeteiligung umzusetzen. Jugendparlamente jenseits der kommunalen Ebene, etwa auf Landes- oder Bundesebene, lehnt der Bundesjugendring aus fachlicher Perspektive ab, da sie die Einhaltung der oben genannten Qualitätsstandards nicht gewährleisten und all die Vorteile, die Jugendparlamente auf kommunaler Ebene mit sich bringen können, nicht vorweisen können.